Vokabular in Nachrichten

Clicks regieren die Welt. Clicks bedeuten mehr Einnahmemöglichkeiten durch Werbung. Und Clicks bekommt man, indem man die Aufmerksamkeit eines Menschen erregt (oder Bots kauft). Binnen weniger Sekunden entscheidet ein Mensch, ob er seine Aufmerksamkeit auf etwas richten will oder nicht. So werden Überschriften immer wichtiger als Inhalte. Außerdem nehmen die Printmedien so wenig ein wie noch nie und müssen daher vielleicht auch an der Qualität der Berichterstattung sparen. Oft werden kurze Meldungen blind von zig Portalen übernommen, ohne diese zu überprüfen oder genauer zu recherchieren. Das könnten die Hauptgründe sein, weswegen mediale Berichterstattung so unsensibel und ungenau bei ihrer Wortwahl geworden ist. Man mag sich jetzt fragen: “Ist es denn so wichtig, immer genau die richtigen Worte zu finden?” Nein, nicht immer, aber manchmal eben schon. Die folgenden vier Beispiele sind mir spontan eingefallen:
‘Trolle haben versucht, die Bundestagswahl zu beeinflussen.’ – diese Überschrift habe ich neulich gelesen. Hier geht es um gezielte politische Einflussnahme über das Veröffentlichen bestimmter meinungsbildender Inhalte auf einer breiten Öffentlichkeit zugänglichen Plattformen. Denkbar wäre ein Post auf Facebook, der Flüchtlinge in ein negatives Licht rückt und durch Likes von Fake Accounts auf den Seiten vieler Nutzer angezeigt wird. Oder gezieltes Verbreiten von Falschmeldungen über Twitter Accounts, die dann ebenfalls von teils wirkliche bestehenden und teils fiktiven Personen geteilt werden. Ein “Troll” ist aber jemand, der erstens wirklich existiert und höchstens eine falsche Identität annimmt, der durch seine Beiträge bewusst versucht, andere hinters Licht zu führen oder antisozial zu sein, um eine Provokation hervorzurufen. Vereinfacht: “Ein Mensch, der sich freut, wenn er andere verarschen kann”. Die politisch motivierte und lange Zeit unbemerkte großflächige Meinungsmanipulation durch andere Nationen als “Troll” zu verharmlosen halte ich für ziemlich gefährlich. In großen Teilen der Bevölkerung besteht sowieso keine Aufklärung über die Möglichkeiten und Gefahren des Internets, da ist es umso schlimmer, wenn man nicht mal bei seiner Wortwahl differenziert genug ist, um eine Aufklärung zu ermöglichen.
‘Fake News’ – kein Neologismus, aber ein in seiner Bedeutung neu erfundenes Wortpaar. Donald Trump benutzt es, um Berichterstattungen, die ihm nicht gefallen, als “gefälscht” bzw. einfach falsch zu bezeichnen. Dabei bezeichnet der Begriff mehr als nur eine Falschmeldung, die zufällig getätigt werden kann, und unterstellt eine bewusst fehlerhafte Nachricht. Und sämtliche Berichterstatter übernehmen das: jedes Mal, wenn etwas – absichtlich oder nicht – falsch gemeldet wird, benutzt man auf einmal die Sprache eines vermutlich nicht sehr schlauen, narzisstischen Mannes, der die Kredibilität eines Mediums davon abhängig macht, wie wohlgesonnen es ihm ist. Dabei bietet unsere Sprache vielfältige Möglichkeiten zu differenzieren. Überhaupt deutsche Wörter zu benutzen, die ohne Trumps Neubedeutungszumessung auskämen, wäre ein großer Fortschritt.
‘Cyber’ – was ist dieses “cyber”? Richtig, damit sind einfach Dinge gemeint, die sich auf das Internet beziehen. Cyberkriminalität oder Cyberangriffe klingen natürlich viel cooler, aber verschleiern letztendlich auch nur das, was tatsächlich passiert ist. Cyberkriminalität ist meistens so etwas wie ein Scam, also z. B. wenn eine Website vortäuscht, ein bekannter Onlineshop zu sein, um an Nutzerdaten zu gelangen, oder Drogenhandel über das sogenannte “Darkweb”, welches einfach ein Netzwerk im Internet ist, zu dem man sich mit einem frei zugänglichen Programm verbinden kann. Ein Cyberangriff ist üblicherweise das vielfache Aufrufen einer Seite, um diese zu überlasten und so lahmzulegen oder der Versuch, über Sicherheitslücken Zugriff auf gefährdete Systeme zu bekommen.
‘Der sogenannte Islamische Staat’ – “sogenannt” weil die Terrororganisation IS überhaupt nichts damit zu tun hat, ein Staat zu sein. Viel gefährlicher noch weicht der Begriff die Grenze zwischen Islam und Islamismus auf. Das Wörtchen “sogenannte” vergisst der Kopf schnell, was hängen bleibt ist die Assoziation zwischen brutalen Anschlägen und großem Leid und dem Wort “Islamische”. Dabei finden die meisten Muslime es ganz schön scheiße, was der IS so treibt. Es würde vollkommen reichen, wenn man in den Medien von der “islamistischen Terrorgruppe IS” sprechen würde. Indem man die “Sprache” solcher Menschen übernimmt, unterstützt man sie ungewollt leider.
Ich lasse mir hier gerne Korinthenkackerei vorwerfen, aber achtet mal drauf und überlegt euch, ob es bei Millionen von Lesern/Zuschauern/-hörern nicht doch einen Unterschied machen würde, wenn Berichterstatter ihre Worte genauer wählen würde.

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