Terminservice- und Versorgungsgesetz – Petition

Die 50000 Unterschriften, die nötig sind, damit der Bundestag sich mit dem Thema befassen muss, sind zwar bereits erreicht, jedoch dürfte eine möglichst große Anzahl an Unterschreibenden symbolischen Wert haben.
 

Jens Spahn hatte die Idee, dass erst eine externe Person mit einem psychisch kranken Menschen sprechen soll, die dann beurteilt, ob dieser überhaupt eine Behandlung braucht, bevor selbiger Mensch ein Gespräch mit einem Psychotherapeuten haben darf.
Zum Vergleich: Hast du eine körperliche Krankheit, gehst du zum Arzt (Fachperson für körperliche Krankheiten), der dann über die Behandlung entscheidet. Hast du eine psychische Krankheit, müsstest du bei der von Spahn vorgeschlagenen Neuregelung erst mal zu einem Beurteiler, dem dein Herz ausschütten und anschließend – wenn er es für nötig hält – zu einem Psychotherapeuten (Fachperson für psychische Krankheiten).
Bisher ist es eigentlich schon unnötig kompliziert: Du gehst zum Psychotherapeuten (Fachperson für psychische Krankheiten), der muss nach fünf Behandlungsstunden einen Antrag auf Therapie schreiben und den einem Gutachter (Fachperson für psychische Krankheiten) vorlegen, der dann entscheidet, ob die Therapie so stattfinden kann.

 
Wenn du also gegen eine noch komplizierte Neuregelung bist, die es psychisch Kranken noch schwerer macht, an einen Therapieplatz zu kommen, als ohnehin schon, dann unterschreibe doch die Petition. Geht auch ganz schnell.

Psychotherapeutische Unterversorgung

In Deutschland zahlen die gesetzlichen Krankenkassen die ambulante Psychotherapie. Das sind im Fall einer “normalen” Langzeitpsychotherapie fünf probatorische Sitzungen, um sich kennenzulernen und 60 Sitzungen à 50 Minuten. Die Kassenärztliche Vereinigung (KV) der jeweiligen Region vergibt hierfür die Plätze für ambulante Psychotherapeuten (und Ärzte). Die Abrechnung erfolgt ebenfalls zwischen den Psychotherapeuten und der KV. Die wiederum hat mit den Kassen vorher festgelegt, wie viel Geld ihr zur Verfügung steht. Das bemisst sich allerdings nicht nach sinnvollen Faktoren wie Demografie, Sterblichkeitsrate, Zahl der tatsächlich Erkrankten oder der Therapeutenzahlentwicklung, sondern anhand der Veränderung der sogenannten Grundlohnsumme, die eigentlich nichts über den Bedarf an psychotherapeutischen Kassensitzen aussagt. Gäbe es mehr Kassensitze für Psychotherapeuten, müsste die KV also mehr zahlen. Deswegen hat sie kein Interesse daran, neue Kassensitze zu kreieren. Und das, obwohl das dringend notwendig wäre. Gerade in NRW ist die Versorgung schlecht. Das ist auch dank eines Tricks möglich: Großstädte in NRW werden nicht als solche, sondern als “Sonderregionen” berechnet, für die andere Vorgaben gelten. Zur Folge hat das, dass Patienten im Durchschnitt sechs Monate auf einen freien Platz für ambulante Psychotherapie warten müssen. Vor dem Hintergrund, dass die Prognose für eine Genesung im Laufe der (unbehandelten Zeit) immer schlechter wird, ist das besonders dramatisch.
Einige Patienten gehen dann zu einem Psychiater, also einem Mediziner, der den Facharzttitel für Psychiatrie erworben hat. Der hat nicht ein Mal die Woche 50 Minuten Zeit. Ich habe mal gelesen, dass ein Psychotherapeut im Jahr ungefähr 50 Patienten sieht. Beim Psychiater sind es 700. Man kann sich ausmalen, wie so ein Kontakt dann abläuft. Nur Medikamente zu nehmen ist (meistens) keine leitlinienkonforme Behandlung einer psychischen Erkrankung.
Es gibt das Prinzip der Kostenerstattung: Demnach muss eine Krankenkasse einem Patienten, der nachweisen kann, dass er bei einigen Therapeuten angerufen und nirgendwo innerhalb weniger Wochen einen Platz zugesagt bekommen hat, eine ambulante Psychotherapie auch bei einem Therapeuten zahlen, der keinen Kassensitz hat (also auf privater Basis behandelt). Die meisten Menschen kennen diese Regel gar nicht. Von psychisch Kranken zu erwarten, dass sie sich darum alleine kümmern können, grenzt überdies an Zynismus.
Dabei müsste es ein größeres Interesse an der Verbesserung der ambulanten Versorgung geben. Die unbehandelten psychischen Erkrankungen verschlimmern sich in der Regel. Irgendwann landen die Patienten dann in der Psychiatrie. Im vollstationären Bereich muss hier 24/7 sowohl die Verpflegung gegeben und ein Behandlungsteam anwesend sein (und bezahlt werden). Arbeitgeber müssen Lohn weiter zahlen, obwohl die Krankheitswochen pro Jahr bei psychischen Krankheiten oft über fünf Wochen betragen. Das Risiko auf Chronifizierung steigt, irgendwann betrifft es dann auch die Rentenkassen. Auch das Risiko auf Suizid steigt.
Die Lösung müsste eine politische sein. Wenn man sich jedoch anguckt, wie schwer sich unsere Regierung mit der Verbesserung der Pflege tut, möchte man sich gar nicht erst vorstellen, wie schwer sie sich mit der psychotherapeutischen Versorgung tun wird.