Amerikanische Glücksfindung

Lesen war lange Zeit etwas, das mich eher abgeschreckt als interessiert hat. Das hat sich in den vergangenen Jahren zum Glück geändert, auch dank der Entdeckung des wunderbaren Haruki Murakami. Weil ich mich literarisch aber auch etwas breiter aufstellen und ein wenig Abwechslung in mein Lesen bringen wollte, habe ich mich gefragt, was für Bücher mich interessieren könnten. Ich kam dann schnell zu Büchern, die sich mehr oder weniger mit dem “Sinn des Lebens” befasst.
Zum einen war da “Das Café am Rande der Welt” von John Strelecky. Eine sehr kurzes Buch, was mir erst mal sympathisch erschien. Jetzt hatte ich mich vorher nicht genauer mit dem Autor befasst, sonst wäre mir vielleicht schon aufgefallen, worauf ich mich da einlasse. Auf 128 kompakten Seiten betritt der Leser das mysteriöse Café am Rande der Welt, in das sich der Protagonist scheinbar zufällig verirrt, und muss sich durch Pseudophilosophie und Küchenpsychologie hindurch kämpfen, sodass er gegen Ende des Buches das Verlassen jenen Ortes als eine Art Erlösung empfindet. Es mangelt leider an tiefgründigen Auseinandersetzungen mit den schwierigen Fragen des Lebens. Stattdessen lernen wir, dass es einfacher ist, mit dem Strom zu schwimmen, als gegen ihn. Strelecky verdient sich mit diesem Konzept allerdings schon seit Jahren seinen Lebensunterhalt, Millionen Menschen scheint das zu begeistern. Vielleicht ist das verborgene Ziel aber auch, die Qual des Lesens dieses Werkes zu erleben, um anschließend besonders dankbar für sein Leben zu sein.
Das zweite Buch, in dem ich hoffte, interessante Gedankenanstöße zum Leben an sich zu finden, war “Dienstags bei Morrie” von Mitch Albom. Der Sportjournalist erfährt aus dem Fernsehn, dass ein alter Professor von ihm, den er sehr schätzte, an ALS erkrankt ist und bald sterben wird. Darauf entscheidet er sich, ihn zu besuchen, woraus sich das Ritual ergibt, dass er jeden Dienstag zu ihm kommt, um über das Leben zu sprechen. Die Geschichte gewinnt ob der Tatsache, dass es sich um eine wahre Begebenheit handelt, an Emotionalität. Gestört hat mich, dass das Setting relativ langsam aufgebaut wird, wir aber dennoch wenig über Morrie erfahren. Auch werden einzelne Themen in einer Art abgehandelt, dass es zu jedem Thema (wie bspw. dem Tod) eine richtige Antwort / Weisheit gibt. Des Weiteren wird die Person Morrie hoffnungslos idealisiert und sehr unkritisch betrachtet. Gefallen haben mir hingegen die Einblicke in das Interaktionsverhalten und das Mindset von einem Charakter wie Morrie. Man kriegt eine ungefähre Vorstellung, woher er seinen Lebensmut nimmt, auch wenn der Fokus ausdrücklich nicht auf den Schwierigkeiten liegt, die er durchleben musste, um so zu werden, wie er ist. In der Schilderung zweier Bereiche brilliert das Buch: die Sicht auf Mitmenschen und den “Wert” von menschlichem Kontakt. Ich erinnere mich, hier einige Denkanstöße mitbekommen zu haben.
Von “Das Café am Rande der Welt” kann ich nur abraten, die Lektüre von “Dienstags bei Morrie” bereue ich nicht. Beide Bücher konnten meine Erwartungen leider nicht erfüllen. Sie probierten, auf komplexe Fragen allzu einfache Antworten zu finden. Wenn man etwas über den Sinn des Lebens lesen möchte, ist es aber vielleicht auch eine falsche Strategie, sich Bücher anzuschaffen, die von sich behaupten, sich mit dem Sinn des Lebens auseinander zu setzen. Für mich ist dieses Konzept der amerikanischen Glücksfindung jedenfalls sehr unbefriedigend, weswegen ich in Zukunft die Finger von vergleichbaren Büchern lassen werde.