Entscheidungen sind immer Abwägungen: Sind mir die Konsequenzen von Option A lieber als die von Option B? Je mehr Konsequezen es gibt, desto schwieriger wird die Abwägung. Und wenn man gar nicht alle Konsequenzen kennt? Dann muss man vermuten. Wissenschaftler machen das bei der Omikron-Variante des Coronavirus durch Modellrechnungen. Die beruhen auf vergangenen oder andernort getätigten Beobachtungen, welche zu Annahmen führen. Meistens werden aufgrund dieser Annahmen dann verschiedene Szenarien berechnet, auch “worst case” und “best case” Szenarien. Leider kommen alle Modellrechnungen mit einigermaßen plausiblen Annahmen zu dem gleichen Schluss: Omikron wird sich rasant verbreiten, weil nur Menschen mit mindestens dreifacher Immunisierung einen brauchbaren Schutz haben.
Das wissen wir bereits seit Wochen. Alle ernstzunehmenden ExpertInnen warnen davor. Das erinnert an die Delta Welle. Da war seit Juni/Juli bekannt, dass sie kommen und heftig werden würde, und trotzdem wurde seitens der Regierung erst mit Maßnahmen reagiert, als die Fallzahlen schon durch die Decke gingen. Wir reden hier von tausenden Toten, die vermeidbar gewesen wären.
Das ist Option A: so lange mit Maßnahmen warten, bis die Zahlen so katastrophal sind, dass selbst der größte Vollidiot Handlunsbedarf erkennt. Legitim, wenn man die Konsequenzen nicht kennt. Die kennen wir aber sehr wahrscheinlich. Sie gehen bis hin zu heftigen infrastrukturellen Ausfällen. Option B wäre, schon jetzt (lies: vor zwei Wochen) zu reagieren, indem man Kontakte in geschlossenen Räumen stark reduziert und Menschen zum dreifachen Impfen verpflichtet (Herdenimmunität muss hergestellt werden, sodass endemische Lage eintreten kann). Damit ließen sich tausende Menschenleben retten. Im Wahlkampf hatte keine Partei den Willen, diese Schritte zu ergreifen, aus Angst, sie könnten unpopulär sein (wovon ich gar nicht so überzeugt bin). Klar, wenn alles gut geht und kaum jemand stirbt, wird es nachher Menschen geben, die meckern, die Maßnahmen seien zu hart gewesen. Aber nochmal: wir wissen (in etwa), was passieren wird.
Da sich unsere Regierung (mutmaßlich aus wirtschaftlichen Interessen) weigert, rechtzeitig angemessene Maßnahmen zu ergreifen, bleibt die Verantwortung für das Retten von Menschenleben in den Händen jedes Einzelnen. Das Problem wird individualisiert. Da kommen du und ich ins Spiel. Lass uns bitte folgende Dinge tun: drittgeimpft (bzw. genesen + mehrfach geimpft) sein; Treffen mit mehreren Menschen so selten und klein wie möglich halten; vorher immer testen; niemanden ermorden, der diese Dinge nicht tut, auch wenn das bei dem Ärger darüber sehr verständlich wäre. Ich wünsche dir einen schönen Jahreswechsel im Kreise deiner Allerliebsten & guten Start in 2022. Wenn wir unser Verhalten wie vorhin beschrieben anpassen, könnte es das letzte pandemische Jahr sein und wird hoffentlich alle belohnen, die sich für das Wohl der Gesellschaft einsetzen.