Reichtum macht reich: wie Deutschland gerechter werden kann

Jens Spahn (CDU) hat vor ein paar Wochen behauptet, man könne gut von Hartz IV leben und, dass wir keine Tafeln bräuchten. Unlängst kam heraus, dass die Regierung den Hartz IV Satz künstlich runter gerechnet hat – u. a. um Milliarden an Einkommenssteuer zu sparen (höherer Hartz Satz = höherer Freibetrag). Insofern kann man Herrn Spahn vielleicht sogar Recht geben: mit dem “richtigen” Satz könnte man von Hartz IV leben. Über das “gut” kann man dann immer noch streiten. Immerhin hat die Regierung einen Abschied vom System Hartz angekündigt.
Auch bei den Tafeln hat er Recht: Deutschland ist ein so wohlhabendes Land, dass es problemlos möglich wäre, alle Menschen zu ernähren. Niemand müsste auf der Straße leben und keine privaten Organisationen müssten sich um die Verteilung von Essen kümmern. WENN das Land seiner Verpflichtung nachkommen würde, den Wohlstand zu nutzen, um dem Allgemeinwohl zu dienen. Da das nicht passiert und die Regierung hier scheinbar auch nach der Aufregung um die Essener Tafel, die nur noch Nahrung an “deutsche” Besucher ausgegeben hat (was auch eine höchst fragwürdige Entscheidung war), keine Veränderungen in Aussicht stellt, brauchen wir die Tafeln aber leider doch.
Dabei wären Veränderungen bitter notwendig. Während sich immer mehr Reichtum bei immer weniger Menschen versammelt (die zehn reichsten Deutschen besitzen über 50% des Vermögens [1]), gibt es immer mehr Menschen, die in Armut leben müssen (die ärmsten 50% besitzen gar kein Vermögen, wenn man ihre Schulden mit einbezieht) – also haben sie absolut (und nicht relativ) gesehen weniger Geld zur Verfügung. Und das in einem wohlhabenden Land. Die Schere zwischen arm und reich, die trotz der Beteuerung zahlreicher Regierungspolitiker, etwas dagegen tun zu wollen, immer weiter auseinander geht, ist ein eine Entwicklung, die in höchstem Maße gesellschaftsschädigend ist. Einkommensungleichheit ist eine Wachstumsbremse für ein Land. Sie hat außerdem Unzufriedenheit zur Folge, die mutmaßlich ihren Teil zum Ergebnis unserer letzten Bundestagswahl beigetragen hat. Des weiteren ist ein gewisser (finanzieller) Lebensstandard zur Zufriedenheit unerlässlich, wohingegen ab einer gewissen Grenze das Vermögen in keiner Korrelation mehr zur Zufriedenheit steht. Ein höheres Einkommen ist außerdem assoziiert mit einer besseren Gesundheit und höheren Lebenserwartung (keine Kausalität). Hier fällt einem unser Zweiklassengesundheitssystem ein. “Geld ist Macht” ist zudem leider ein treffendes Sprichwort.
Natürlich nehmen die “Reichen” den “Armen” das Geld nicht weg. Deswegen ist das Wort “Umverteilung” auch sehr irreführend. Die ärmsten Deutschen sind ja nicht arm, nur weil die reichsten Deutschen reich sind. Der wichtigste Akteur ist der Staat: er schafft die Rahmenbedingungen, die zu so einer Entwicklung überhaupt führen können. Und auch wenn unsere Regierung immer wieder betont, wie wichtig soziale Gerechtigkeit ist, sind entscheidende Mittel hierzu weitestgehend Tabu.
Ein höherer gesetzlicher Mindestlohn wird immerhin noch diskutiert. Hier muss die Regierung natürlich kleine und mittelständische Unternehmen unterstützen, damit die daran nicht zugrunde gehen.
Auch die Debatte über Erhöhung der Hartz IV Sätze könnte nach der jüngsten Meldung über die “Schönrechnung” neu entfachen. Hier hören die Ideen dann aber auch auf.
Dabei wäre eine sehr effektive Maßnahme, die Einkommenssteuer im Spitzenverdienerbereich zu erhöhen. Der Satz liegt gerade bei 45%, die durch Freibeträge und Subventionen freilich nie erreicht werden.
Die 1997 abgeschaffte Vermögenssteuer könnte außerdem ein Mittel sein, um gegen das immer stärkere Anhäufen von Vermögen vorzugehen.
In Deutschland zahlt man auf Arbeit mehr Steuern als auf die Erträge durch Kapital. Wenn ich also einfach Geld besitze und das anlege, vermehrt sich mein Vermögen, ohne, dass ich irgendetwas dafür tue. Gehe ich für das gleiche Geld Arbeiten, muss ich einen deutlich größeren Anteil abgeben. Damit sich einfaches “Geld besitzen” nicht mehr lohnt als Arbeit, sollte die Kapitalertragssteuer erhöht werden.
Eine Finanztransaktionssteuer würde außerdem den Staat an den Geschäften des Finanzmarkts stärker beteiligen.
Zu guter Letzt sei auch noch die Erbschaftssteuer erwähnt. Circa ein Viertel der heutigen Superreichen sind deshalb reich, weil sie reiche Eltern hatten. Und das wären sie auch nach einer Besteuerung noch, nur eben etwas weniger. Ungefähr drei Prozent des Vermögens wird in Deutschland jedes Jahr vererbt. Davon sieht der Staat aber dank Sonderregelungen und Freibeträgen viel weniger.
Skeptiker befürchten bei Steuererhöhungen oft den Weggang der Besserverdiener oder den Wegzug von Firmen in andere Länder. Ich halte diese Befürchtungen für etwas übertrieben. Für die Regierung würde es natürlich bedeuten, die Unterstützung durch einige finanzstarke Gruppen zu verlieren – was aber der Gerechtigkeit nicht schaden würde.

Mit den Mehreinnahmen könnte der Staat auf direktem oder indirektem Weg viele Menschen aus der Armut heraus holen, ohne einen weiteren in die Armut zu schicken. Menschen in anspruchsvollen oder anstrengenden Berufen würden weiterhin mehr verdienen als welche in einfacheren. Es wäre eine gerechtere Welt mit mehr zufriedenen Menschen, in der jeder gut von Hartz IV leben könnte und wir keine Tafeln bräuchten.

Fußnoten:
[1] Diese Zahlen beruhen auf einer Umfrage. Vermutlich ist das Ergebnis noch extremer, denn die Teilnahme war freiwillig. Die aller Reichsten haben tendenziell vermutlich gar nicht teilgenommen.

2 Gedanken zu „Reichtum macht reich: wie Deutschland gerechter werden kann“

  1. “Ein höherer gesetzlicher Mindestlohn wird immerhin noch diskutiert. Hier muss die Regierung natürlich kleine und mittelständische Unternehmen unterstützen, damit die daran nicht zugrunde gehen”

    HAHA der war gut

    ps: bitte keine newsletter schicken

Schreibe einen Kommentar zu Chris Antworten abbrechen

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht.

Diese Website verwendet Akismet, um Spam zu reduzieren. Erfahre mehr darüber, wie deine Kommentardaten verarbeitet werden.